C.C. war ein Kapitel für sich. Er war was ganz besonderes. Als er starb, da war es für mich, als verlöre ich ein Kind. Ja und wie ein Kind war C.C. auch. Von Anfang an heftete er sich an meine Fersen und wo ich war, war auch er. Mein Mann sagte immer scherzhaft: "Dein roter Schatten folgt Dir wieder." Das war wirklich nicht übertrieben. C.C. mußte wirklich überall dabei sein, egal ob ich Wäsche aufhing oder im Bad war, Essen kochte, auf dem Balkon saß, am Computer arbeitete oder fern sah. Immer war er in meiner Nähe und wenn er nicht auf meinem Schoß sitzen konnte, dann lag er einige Schritte von mir gemütlich auf dem Boden und sah mir bei meiner Tätigkeit zu. Aber ich möchte mal von vorn anfangen zu erzählen, von dem Tag an als C.C. zu uns kam.

Es war im Sommer 1991, wir hatten schon einen Kater, Jerry, aber wir meinten er wäre so allein und könne noch Gesellschaft brauchen. Ich war schon immer fasziniert von roten Katzen, keine Ahnung warum, aber diese Fellfarbe hat es mir einfach angetan. Also, nachdem Jerry ja nun ein schwarz-weiß gefleckter Kater war, wollte ich dieses Mal einen roten Kater. In der Zeitung fand ich dann schnell eine Anzeige, daß mehrere kleine Kätzchen abzugeben wären, es wären verschiedene Fellzeichnungen und darunter auch rote. Rote! Ich zeigte meinem Mann die Anzeige und rief bei den Leuten an. Wir konnten sofort vorbei kommen. Ich war ja so aufgeregt. Den Katzenkorb schnappen, ins Auto hechten und meinen Mann rufen wo er denn so lange bleibe, war eins.

Nach einigem Suchen kamen wir dann an und es begrüßte uns eine Frau. Sie führte uns über ihren Hof in eine Art Hühnerstall. Dort stand auf dem Boden ein Karton, über den ein zweiter halb gestülpt war, als Schutz von oben. Es war dämmrig in dem Stall und wenig zu sehen. Wir hörten nur leises miauen aus dem Innern des Kartons. Mein Mann bückte sich und langte in den Karton hinein. Heraus hob er ein rot-weiß getigertes Kätzchen! Ich war begeistert und nahm vorsichtig das vor Angst schreiende Kätzchen an mich, das sich sofort unter meinen langen Haaren versteckte. Mein Herz schlug so schnell vor Freude, ich wußte es sofort, das ist es! Ich sagte auch das ich das Kätzchen haben möchte, ohne zu schauen welche anderen Katzen da noch im Karton waren.

Ich unterhielt mich mit der Frau, die mir ganz offen sagte, das sie rote Katzen nicht ausstehen kann. Ich drückte das Kätzchen noch ein wenig fester an mich und versicherte der Frau, krampfhaft um ein Lächeln bemüht, das sie dies rote Kätzchen schon mal los sei. Mein Mann kramte derweil in dem Karton herum und hob ein weiteres Fellbündel daraus hervor. Es sah genauso aus wie das Kätzchen das ich auf dem Arm hatte, nur das es grau-weiß getigert war. Nun war es an meinem Mann verzückt zu sein und er fragte die Frau ob er dieses Kätzchen auch haben könne. Argwöhnisch fragte die Frau uns, ob wir auch nicht von einem Versuchslabor kämen. Damit stieg die Frau wieder in meiner Sympathie. Wir versicherten ihr das wir das nicht wären und zeigten unsere Personalausweise und boten ihr an, daß sie jederzeit gern uns besuchen kommen könne, um zu sehen wie es den beiden gehe. Sie notierte sich unsere Adressen und wir nahmen beide Kätzchen mit.

Zuhause staunte Jerry nicht schlecht als wir ihm den Korb zeigten und die beiden Schreihälse dort heraus holten. Aber er nahm sie sofort an, ohne zu fauchen oder zu kratzen. Er spielte mit ihnen und zeigte ihnen das Haus. Ich war verblüfft, sowas hatte ich noch nie erlebt oder gehört. Bald stellte sich heraus das wir Glück hatten, wir wollten nur Kater haben und beide Kätzchen entpuppten sich als Kater. Der rote wurde C.C. (sprich: ßißi) getauft und der graue Rio. Die beiden sahen wirklich wie Zwillinge aus, sie hatten die gleiche Zeichnung.

Wie sich jedoch herausstellte, konnte C.C. noch gar nicht selbstständig futtern, die Frau hatte die Kätzchen viel zu früh abgegeben. Also fütterte ich C.C. mit dem Fläschchen und Katzenmilch. Ich glaube das war wohl der Moment, wo zwischen ihm und mir diese besonders innige Bindung entstand, anders kann ich es mir nicht erklären. Irgendwann dann klappte es mit dem Katzenfutter und C.C. und Rio futterten was das Zeug hielt. Sie spielten mit Jerry und sausten durch die Wohnung. Sie eroberten den Kratzbaum und spielten sowas wie "Stürmt die Burg", wobei die beiden Kleinen oben saßen und den "Eindringling" Jerry, der von unten spielerisch versuchte auf den Kratzbaum zu klettern, mit Pfotenhieben zu verscheuchen versuchten. Jerry ließ sich bei der kleinsten Berührung fallen und tat so als wäre er benommen, woraufhin die Kleinen oben vor Freude herumsprangen. Und gleich ging das Spiel von vorn los. Es war eine Freude zuzusehen.

C.C. wuchs heran und wurde ein bildhübscher, stattlicher Kater. Er kam nie in den Genuß von Vaterfreuden, wir ließen ihn, wie die anderen auch, kastrieren. Danach wurde er noch verschmuster. Er hatte sich auch eine sehr eigenartige Angewohnheit zugelegt: er sprach mit mir. Dabei verwendete er eine eigene Lautsprache, versuchte aber tatsächlich menschliche Worte nachzuahmen. Anfangs hielt ich das für Zufälle, doch irgendwann sagte mein Mann, wenn er es nicht anders wüßte, würde er meinen, C.C. hätte gerade "Mama" gesagt. Ich erschrak, genau das war es was ich auch immer hörte, doch abtat. Nun hatte mein Mann, ohne das ich es je erwähnt hatte, aus Angst ausgelacht zu werden, die gleiche Empfindung gehabt. Kann das möglich sein? Kann es möglich sein, das C.C. aufmerksam zuhörte, wie unsere beiden Töchter mich immer wieder mit "Mama" anriefen und sich diesen "Laut" einprägte und nachzuahmen versuchte? Ich konnte das nicht glauben. Aber ich wurde bald eines besseren belehrt.

Unsere Katzen bekamen neben Naßfutter auch Trockenfutter zur freien Verfügung über den Tag. C.C. aß Brekkies sehr gern. Und wenn er was zu futtern wollte, dann setzte er sich für gewöhnlich ganz akkurat vor mich hin und sah mich an. Sobald ich eine Bewegung machte oder mich anschickte aufzustehen, rief er laut: "Keck!" Also wenn sich das nicht nach Brekkies anhört, weiß ich auch nicht. Aber man könnte meinen das das ein allgemeines Wort für Futter wäre und somit zufällig. Aber da war ja noch C.C. Vorliebe für Käse. Er mochte Käse für sein Leben gern und sobald ich am Kühlschrank stand, wollte er welchen zum Naschen haben. Nun ist das Wort Käse wohl zu schwer und Keck war ja schon für Brekkies besetzt, wie also sollte er nun Käse nennen? Wie er auf dieses Wort kam weiß ich natürlich nicht, vielleicht war es ein Ausdruck des leckeren Geschmacks auf Katzensprache oder so, jedenfalls nannte er Käse "Bra" wobei er dieses Wort recht klar aussprach. Alles könnte nun Zufall sein aber ich habe es ausprobiert. Wenn er Bra sagte, gab ich ihm probehalber Brekkies, die verschmähte er aber in diesem Augenblick. Käse nahm er allerdings, wieder laut Bra sagend, freudig an. Immer noch Zufall? Ich habe es oft getestet, ich konnte mit Sicherheit festlegen, das er bei normalem Naßfutter "Mama" rief, bei Brekkies "Keck" und bei Käse "Bra". So war C.C. auch in dieser Hinsicht was besonderes.

Die Jahre vergingen und ich hatte viel Freude an C.C. Er liebte es mich zum lachen zu bringen und sprang dann herum wie ein Clown. Er schmuste viel und wenn ich krank war, dann sprang er zu mir auf die Couch im Wohnzimmer, auf der ich dann lag und leistete mir beim Schlafen Gesellschaft. C.C. war niemals frech zu mir, oder kratzte mich, noch nicht einmal unabsichtlich. Er war immer so behutsam und umsichtig, das habe ich bei keiner Katze so bisher erlebt.

Eines Tages dann, C.C. war immer kerngesund gewesen, lag er ziemlich abgeschafft in der Gegend rum. Er war seit einigen Wochen schon unsauber geworden und hatte ständig Urin auf dem blanken Boden im Flur abgesetzt. Das sah ihm gar nicht ähnlich. Ich hab das nicht verstanden und mir auch nicht erklären können. Nun lag er in der Wohnung hinten im Bürozimmer unter dem Schreibtisch. Mir gefiel das gar nicht und ich machte mir Sorgen. Da Wochenende war, hatte kein Tierarzt auf. Nunja, wir wohnten damals in der Eifel und alles liegt weit auseinander. Oft liegt die nächste Ortschaft mindestens 20 Km entfernt. Nachdem ich ihn gestreichelt hatte und feststellte, es wäre nichts lebensbedrohiches, beschloß ich, das wir gleich am Montag zum Tierarzt fahren. Das taten wir auch. Die Tierärztin war jedoch nicht da, hatte Urlaub und eine Vertretung war da. Ok, Hauptsache ein Tierarzt. Sie untersuchte C.C. und konnte nichts weiter feststellen, als das C.C. stark dehydriert war. Sein Fell hing schlaff an ihm. Die Tierärztin legte ihm eine Infusion und polsterte ihn somit wieder auf. Eine Ursache fand sie nicht. Sie fragte mich ob eine Vergiftung in Frage käme. Ich verneinte, da C.C. das Haus nicht verlassen durfte. Zudem litt er ja auch nicht unter Erbrechen. Sie schickte mich wieder nach Hause und C.C. gings wieder blendend.

Drei Monate später, das gleiche Theater. C.C. lag wie apathisch unter dem Schreibtisch im Büro und war kaum ansprechbar. Ich zögerte nicht lange und wir fuhren zum Tierarzt. Die eigentliche Tierärztin war wieder da und untersuchte ihn. Aber auch sie konnte sich nicht erklären warum C.C. schon wieder so dehydriert war. Wieder gab es eine Infusion, nachdem sie ihm Blut abgenommen hatte, das ins Labor geschickt werden sollte. Nach der Infusion gings C.C. wieder super und die Blutergebnisse waren normal. Rätselhaft.

Ca. 3 Wochen später, wieder das gleiche Spiel. Dieses Mal lief es aber alles wesentlich schneller ab. Sein Zustand wurde zusehends schlimmer. Am Nachmittag lag er da wie tot, ich war aufgeregt und rief die Tierärztin an, bat um einen sofortigen Termin, es wäre ein Notfall. Sie willigte ein und wir sausten los. In der Praxis angekommen, untersuchte sie ihn sofort und stellte gleich fest, das C.C. in einem tiefen Schockzustand läge. Und das das schlecht sei und die Tiere das meist nicht überleben würden. Er war schon sehr ausgekühlt und mußte erstmal in Decken gewickelt werden. Sie sagte dann sie würde es versuchen aber könne mir nicht viel versprechen. Ich verstand die Welt nicht mehr. Wieso? Was war denn nur mit ihm? Warum weiß ein Tierarzt nicht was C.C. hat? Verdammt nochmal die bekommen doch schließlich ne Menge Kohle für die Behandlungen und sie haben doch auch studiert. Warum also konnte mir diese Tierärztin nicht sagen was meinem Schätzchen fehlt?

C.C. sollte bis zum Abend dort bleiben und würde mit Medikamenten und Infusionen behandelt werden. Ihm wurde wieder Blut abgenommen. Die Helferin trug ihn nach hinten und ich heulte im Auto hemmungslos. Mein Mann war auch aufgeregt, aber er versuchte mir Mut zu machen. Er meinte das C.C. das schaffen würde, er würde viel zu sehr an mir hängen. Das leuchtete mir ein und gab mir Zuversicht. Am Abend dann erschienen wir zur ausgemachten Uhrzeit in der Tierarztpraxis. Wir wurden nach hinten geführt und da lag mein armes geschundenes Schätzchen in seiner Kiste. Ein Ärmchen kahl rasiert für die Blutentnahme, das andere dick mit Pflaster umwickelt, um die Infusion zu sichern. Als wir ihn ansprachen, bewegte er leicht den Kopf, das war ein gutes Zeichen. Mein Mann hob ihn an und trug ihn raus. Die Tierärztin wünschte uns draußen am Auto dann noch viel Glück, mit einem eigenartigen Gesichtsausdruck. C.C. hatte in der Praxis sogar schon wieder ein bischen von der Vitaminpaste gefuttert, die sie ihm gaben, erzählte mir die Tierärztin. Es sähe nicht so schlecht aus. Wir fuhren nach Hause und stellten C.C. mit Korb zu uns ins Wohnzimmer. Als die Infusion leer war, nahm ich sie, wie vorgeschrieben, ab. Kurze Zeit später übergab C.C. sich fürchterlich. Er erbrach eine dunkelbraune Flüssigkeit und zwar viel davon. Ich machte sofort alles sauber und legte ihn wieder hin. Er schlief dann.

Als wir ins Bett gingen, nahmen wir C.C. mit ins Schlafzimmer. Sonst ist das Schlafzimmer für unsere Katzen tabu, aber das war eine Ausnahme, ich mußte bei ihm sein. Nachts döste ich nur, ich konnte nicht schlafen. C.C. jammerte einige Male laut und ich versuchte ihn zu beruhigen, sprach mit ihm. Morgens schlief ich dann kurz ein. Als mein Mann dann aus dem Bett auf die Toilette wollte, lag C.C. plötzlich vor seinem Bett. C.C. war nicht in der Lage zu laufen, also muß er sich bis dorthin gerobbt haben. Ich sagte zu meinem Mann er solle ihn ins Bett holen, er würde sonst da auf dem Boden wieder zu kalt. Mein Mann legte ihn in die Mitte des Bettes und ich deckte ihn zu. Doch kaum lag er da so, begann er schnappend zu atmen. Ich sprang auf und heulte, ich sagte zu meinem Mann er solle sofort den Tierarzt anrufen und er eilte sofort aus dem Zimmer.. ´O Gott! Mein Schätzchen stirbt mir hier unter den Händen weg!´ dachte ich nur. Ich beugte mich über ihn, weinte und flehte ihn an durch zu halten. Seine schnappende Atmung ging über in weinende Laute. Tatsächlich! Er weinte, wie ein Mensch, der leise vor sich hinschluchzt. Tränen liefen über sein Gesichtchen und er sah mich mit seinen wunderschönen goldenen Augen traurig an. Und dann brachen sie. Mein C.C. war tot. Entsetzt erstarrte ich und sah ihn mit aufgerissenen Augen an. Dann rüttelte ich vorsichtig an ihm und rief seinen Namen. Nichts, er rührte sich nicht mehr. Ich horchte seine Brust ab, kein Herzschlag. Jammernd beugte ich mich herunter und versuchte es mit Mund-zu-Mund-Beatmung. Nichts. Ich versuchte Herzmassage. Nichts. Dann sah ich wie sich aus seiner Blase Urin langsam entleerte. Das war das letzte sichere Zeichen das er tot war. Laut klagend wiegte ich C.C. an mich gedrückt hin und her und ließ meinen Schmerz hinaus. Dann kam mein Mann ins Zimmer zurück. Er fragte zitternd wie es um C.C. steht. Und ich heulte laut "Er ist tot! Er ist tot!" Mein Mann brach weinend auf dem Bett zusammen. Auch ihm war C.C. ans Herz gewachsen und für ihn war der Verlust nicht weniger schmerzlich.

Nach einiger Zeit, ich weiß nicht wie lange ich da so gesessen habe, Merkte ich, daß die Leichenstarre eingesetzt hatte und legte C.C. behutsam in seine Kiste zurück. Wir gingen mit ihm nach unten ins Wohnzimmer und setzten uns schluchzend auf die Couch. Da rief die Tierärztin an. Mein Mann hatte die ganze Zeit versucht sie zu erreichen, aber sie war nicht da. Er hatte dann aufs Band gesprochen und nun, wo alles zu spät war, meldete sie sich, sie war ihr Kind vom Kindergarten abholen! Mein Mann erzählte was passiert war und sie sagte sie habe das befürchtet.

Die folgende Zeit war schlimm. Ich weinte fast den ganzen Tag und obwohl wir noch andere Katzen bei uns im Haus hatten, war da doch eine riesige Lücke die C.C. hinterlassen hatte. Mir fehlte der Anblick, wenn er gemächlich ins Zimmer gelaufen kam. Mir fehlte die rot-weiße Fellfarbe. Mir fehlten die wunderschönen goldenen Augen, die mich immer so liebevoll ansahen. Mir fehlte sein weiches Fell, das ich so gern gestreichelt habe und mir fehlte seine Wärme, wenn er sich bei mir auf dem Schoß eingekuschelt hatte. All das war weg und würde nie wieder kommen. Mein Herz fühlte sich an, als wenn es zerspringen wollte. Es war ein richtig körperlicher Schmerz und am Rande dessen was ich ertragen konnte.

Nun sind schon einige Jahre vergangen. Ich habe mich irgendwie arrangiert weiter zu machen. Doch ich vermisse C.C. immer noch und es tut immer noch weh. Diese Wunde wird wohl nie heilen. Ich warte auf den Tag, an dem ich an der Reihe bin über die Regenbogenbrücke zu gehen und ich freue mich schon darauf, wenn C.C. mir dann entgegen gerannt kommt und klar und deutlich "Bra" ruft.